Mythic Beings
Kuratiert von Elise Lammer
Jedes Jahr lädt die Liste Art Fair Basel Institutionen, Magazine, Künstler*innen oder Kurator*innen für das Special Project ein, welches mit einem hochaktuellen Ansatz das Anliegen der Liste, die neuesten Entwicklungen in der zeitgenössischen Kunst aufzuzeigen, erweitert. Dieses Jahr kuratiert Elise Lammer das umfangreiche Performance Programm “Mythic Beings”.
Utopische Modelle boten einst ein kunstvolles Instrumentarium, um die Probleme der Gesellschaft durch radikales Denken zu lösen. Poesie, Belletristik und Mythen galten als die Grammatik, die eine ideale allegorische Gesellschaft schaffen sollte. Von Christine de Pizans literarischem Protofemnismus bis zu Octavia E. Butlers postapokalyptischer Schwarzer Renaissance befruchteten Utopien den Geist derer, die bereit waren, direkte zivile Aktionen zu starten.
Als Hommage an Adrian Pipers gleichnamiges Werk aus dem Jahr 1973, erforscht das Programm das Potenzial von Verkleidung, Tarnung und wiederholten Aktionen, um die eigene Situation zu überwinden. Das Programm, das unter anderem neue Auftragsarbeiten von Wren Cellier, Astrit Ismaili, Florence Peake und Luana Vitra zeigt, betrachtet die Blaupause einiger Utopien mit ihrem antinormativen Potenzial, um die transformative Funktion der Kunst zu thematisieren und gleichzeitig die Idee zu fördern, dass Künstler*innen mythische Wesen sind, die die revolutionäre Kraft verkörpern.
In einem für die Liste Art Fair Basel neu erschaffenem Werk, untersucht der Performer, Komponist und Sänger Wren Cellier, wie die Verletzlichkeit der Welt durch Musik und Klang zum Ausdruck gebracht werden kann. Durch die Kombination von Gesang, live gespielten Instrumenten sowie Klanglandschaften aus Flöten, Gitarren, Stimmen, Effektpedalen und Feldaufnahmen zielt seine Arbeit darauf ab, die gegenwärtige Verschiebung von Ökosystemen auszudrücken und hörbar zu machen und zu zeigen, wie kollektive Transformation sich Normen widersetzen kann, um Systeme der Unterdrückung zu durchkreuzen.
In Zusammenarbeit mit dem Institut Art Gender Nature der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW Basel hat Astrit Ismaili eine Gruppe von Kunststudierenden über mehrere Monate hinweg angeleitet, eine neue Performance zu entwickeln, die das transformative und performative Potenzial von Körpern und Räumen aus einer queeren Perspektive untersucht. Gemeinsam recherchierten sie historische, persönliche und fiktionale Themen, die durch Kreativität bestimmte Beschränkungen überwinden - seien es physiologische, soziale, geopolitische oder andere. Zum ersten Mal werden Fragmente von Ergebnissen aus Ismailis Seminaren der Öffentlichkeit präsentiert. Die teilnehmenden Performer*innen sind Maria Paz Aires, Delphine Claire Bertrand, Raffaela Boss, Fanny Adriana Dunning, Alex Ghandour, Alyona Hrekova, Ramon Keimig, Léna Lacrabère, Nolan Lucidi, Lisa Mazenauer, Ruowen Mei, Timo Paris, Rondi Park, Alondra Juarez Ramirez, Linus Finn Riegger, Yann Slattery, Barbara Signer, Thy Truong, Julie/Julot Wuhrmann und Hsiao-Yen Yao.
“Factual Actual” ist Florence Peakes fortlaufende Serie von Performances und Gemälden, die das Verhältnis von Malerei und Bewegung erforschen und die statischen Darstellungen, die oft in westlichen Museumssammlungen zu finden sind, hinterfragen. Durch Verschiebungen und sich ständig verändernde Kompositionen werden figurative Malerei und Performance miteinander kombiniert, indem große, üppig bemalte Leinwände von Charlie Ashwell, Florence Peake und Eve Stainton gefaltet, gezogen und aufgehängt werden, wobei sie sich zwischen flachen und skulpturalen Formen und theatralischen Elementen der Verschleierung und Enthüllung bewegen.
Luana Vitra untersucht in ihrer Performance die Möglichkeiten der Zeichnung. Während ihres Aufenthalts bei La Becque | Artist Residency entwickelte Vitra eine neue Performance für das Special Project der Liste. Dabei arbeitet sie mit Eisenpulver und Indigo, und erforscht die Beziehung zwischen ihrem Körper und dem Körper der Mineralien, welche die persönlichen und geologischen Erinnerungen der Künstlerin weiter miteinander verschränken. Luana Vitra wurde im brasilianischen Minas Gerais geboren, wo sich der größte Teil des Mineralienreichtums des Landes befindet. Ihre langjährige Erfahrungen mit Eisen haben es ihr ermöglicht, das Material über seine Härte hinaus zu betrachten und seinen pulverisierten Zustand als den Moment seiner maximalen Freiheit zu verstehen.
Zeitplan:
Mo., 10. Juni – 14:00 & 18:30 Uhr, Florence Peake – Mezzanine
Mi., 12. Juni – 14:00 Uhr, Florence Peake – Mezzanine
Do., 13. Juni – 18:30 Uhr, Astrit Ismaili – Mezzanine
Fr., 14. Juni – 14:00 Uhr, Astrit Ismaili – Mezzanine & 18:30 Uhr, Luana Vitra – Messehalle
Sa., 15. Juni – 14:00 Uhr, Luana Vitra – Messehalle & 18:30 Uhr Wren Cellier – Eingang
So., 16. Juni – 14:00 Uhr, Wren Cellier – Eingang
Elise Lammer (geboren in Lausanne, CH) ist Kuratorin, die sich mit Fragen zur Rolle des (öffentlichen und häuslichen) Raums bei der Identitätskonstruktion beschäftigt. Sie arbeitet medienübergreifend und mit einem generationenübergreifenden und intersektionalen Ansatz. Lammers Arbeit zielt darauf ab, Erzählungen zu hinterfragen und neu zu bewerten, die unter einer monolithischen, einseitigen Integration in die Geschichte gelitten haben und betrachtet diese Problematik aus einem zeitgenössischen Blickwinkel.
Derzeit ist sie Doktorandin am Institut Art Gender and Nature in Basel und an der Universität Linz, Österreich, und forscht über den Garten des britischen Künstlers, Filmemachers, Autors und Schwulenrechtsaktivisten Derek Jarman (UK, 1942-1994). Seit 2019 entwickelt sie einen Garten als Hommage an Jarmans Prospect Cottage in La Becque | Artists Residency, La Tour-de-Peilz. Im Jahr 2015 gründete sie die Forschungsplattform und das Kollektiv Alpina Huus, ein von der Performance geleitetes Projekt- und Forschungskollektiv, das sich der Untersuchung der Beziehung zwischen Performance und Wohnraum widmet.
Elise Lammer unterrichtet derzeit den BFA- und MFA-Kurs für Bildende Kunst am Institut Kunst Gender Natur HGK Basel FHNW und schreibt regelmässig für Mousse Magazine, CURA.
Spezieller Dank gilt unserem Partner Kulturstiftung Basel H. Geiger | KBH.G für die großzügige Unterstützung, sowie Swisslos-Fonds Basel-Stadt, La Becque | Artist Residency und dem Institut Kunst Gender Natur HGK Basel FHNW